Kapitel 1

Die afghanische Tragödie in Zahlen

Jetzt alles Stück für Stück erfahren zur Geschichte Afghanistans

1.1 Besatzung durch die russische Armee (12. Dezember 1979 bis zum 15. Februar 1989)

1.2 Der Bürgerkrieg (1989 bis 2001)

1.3 „Krieg gegen den Terror“ (07. Oktober 2001 bis 31.08.2021)

Kapitel 1.1
Afghanistan Flagge - Aufklärungsforum Afghanistan

Besatzung durch die russische Armee (12. Dezember 1979 bis zum 15. Februar 1989)

Die Motive und Hintergründe der russischen Intervention sind bis heute Gegenstand kontroverser Debatten.
Die Sowjetunion unterhielt seit der Unabhängigkeit Afghanistans im Jahr 1919 enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu dem Land, die Mitte der 1960er Jahre intensiviert wurden.
In der Forschung werden zudem die Einflussnahme durch die USA sowie die Nähe zum US-Verbündeten Pakistan und die kurz vor der Intervention ausgebrochene islamische Revolution im Iran als mögliche Motive diskutiert, die die Sowjetunion um ihren Einfluss in der Region haben fürchten lassen könnten (Bpb 2014).

Die Anzahl der zivilen Opfer dieses Krieges wird in unterschiedlichen Schätzungen mit einer Spannbreite von 875.000 (Khalidi 1991) bis 1,5 Millionen (Sliwinski 1989) angegeben.

Zusätzlich sind 75.000 bis 90.000 getötete Aufständische (Giustozzi 2013) sowie 18.000 Opfer unter den afghanischen Sicherheitskräften zu verzeichnen (Isby 1986; Bell 2013).

Die Anzahl der Überlebenden, die schwer und dauerhaft körperlich versehrt wurden, beläuft sich auf nahezu 1,5 Millionen (Maley 2002).

Ein Drittel aller Dörfer sowie zwei Drittel aller Straßen waren zerstört, und das Land war mit Minen verseucht.

Insgesamt waren über sechs Millionen Afghanen aus dem Land in den Westen oder nach Pakistan und den Iran geflüchtet (Rubin 1995).

Auch die Sowjetunion hatte für die Besetzung Afghanistans einen hohen Preis gezahlt:

Im Verlauf der Besatzung waren 620.000 Soldaten am Hindukusch eingesetzt worden.

Dabei waren über 14.000 Soldaten gefallen und mehr als 50.000 Soldaten verwundet worden (Julian Voje 2014).

Kapitel 1.2
Afghanistan Flagge - Aufklärungsforum Afghanistan

Der Bürgerkrieg (1989 bis 2001)

Die bewaffnete antistaatliche Opposition, auch als Mudschahedin-Gruppen bezeichnet, wurde von westlichen Staaten sowie ihren Klienten – insbesondere den USA und Saudi-Arabien – militärisch und finanziell unterstützt.
Pakistan förderte einseitig islamistische Fraktionen und drängte auf diese Weise säkulare, linke, nationalistische und monarchistische Widerstandsgruppen in den Hintergrund.

Nach dem sowjetischen Truppenabzug im Februar 1989, dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 und der Einstellung der Finanzhilfe an Kabul durch Russland im Folgejahr übernahmen die Mudschahedin im April 1992 die Herrschaft in Kabul.

Versuche verschiedener Fraktionsführer, die Macht zu monopolisieren, mündeten in einen Bürgerkrieg (Mielke 2024).

Während die Hauptstadt Kabul sowie ihre Bevölkerung während der sowjetischen Besatzung weitestgehend verschont geblieben waren, kam es während des Bürgerkriegs zu einer hohen Zahl an Todesopfern unter der Zivilbevölkerung.

Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der Todesopfer auf 60.000 bis 80.000 Personen, bei einer Gesamtbevölkerung von zwei Millionen.

Im Verlauf des ersten Kriegsjahres 1992 flohen rund eine halbe Million Menschen.

In den darauffolgenden Jahren kam es zu weiteren Fluchtwellen, bis sich die Kampfhandlungen 1994 zunehmend über die Hauptstadt Kabul hinaus in die Provinzen ausdehnten (Chiari 2020).

In Reaktion hierauf formierte sich ab 1994 im Süden des Landes die Taliban-Bewegung.

Unterstützt durch pakistanische Hilfe konnte sie sich landesweit ausbreiten und im Jahr 1996 schließlich Kabul einnehmen (Mielke 2024).

Verschiedenen Angaben zufolge lebten im Jahr 1996, zum Zeitpunkt der Machtübernahme der Taliban in Kabul, lediglich zwischen 300.000 und 600.000 Menschen in der Stadt (Chiari 2020).

Die Taliban proklamierten die Etablierung eines islamischen Emirats.

Allerdings führten die repressiven Maßnahmen gegenüber sämtlichen Individuen und Gruppen, die nicht in das rigide islamistische Weltbild der Taliban passten, zu einer rapiden Erosion ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung.

Dies resultierte in einer außenpolitischen Isolation, die durch die Verletzung internationaler Standards der Menschenrechte zusätzlich verschärft wurde (Mielke 2024).

Kapitel 1.3
Krieg gegen den Terror - Zahlen Waisen - Aufklärungsforum Afghanistan

„Krieg gegen den Terror“ (07. Oktober 2001 bis 31.08.2021)

Der Afghanistan-Konflikt war der längste Krieg, den die USA und die NATO seit dem Vietnamkrieg führten – er währte sogar länger als dieser.

In einer Erklärung nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 legte die Regierung von George W. Bush die Verfolgung von Al-Qaida und Osama bin Laden als eines der zentralen Ziele des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ fest.

Die US-Regierung berief sich dabei auf die Auffassung, dass bin Laden ein Gastrecht auf afghanischem Territorium genoss.

Am 7. Oktober 2001 initiierten die USA eine Intervention gegen die Taliban.

Durch massive Flächenbombardements wurde die Nordallianz in die Lage versetzt, Kabul einzunehmen (Mielke 2024).

Der Afghanistan-Krieg, der von Oktober 2001 bis August 2021 andauerte, forderte über 240.000 Todesopfer.

Kategorie Anzahl der Todesopfer
Afghanisches Militär und Polizei
70.000
Zivilisten
47.812
Humanitäre Helfer
444
Journalisten
72
Taliban und andere Rebellen
120.071
Amerikanische Soldaten
2.445
Andere ausländische Soldaten
1.145
Ausländische Söldner und Sicherheitsleute
3.846
Weiteres US-Personal
16

Tabelle 1.1: Anzahl der Todesopfer nach Opferkategorie

Die Daten für den Zeitraum von Oktober 2001 bis April 2021 stammen vom Watson Institute der Brown University (Crawford und Lutz 2021).
Die Zahlen für die Monate Mai bis August 2021 wurden aus der Berichterstattung der New York Times entnommen (NYT 2024).
Die Angaben zu den Taliban beruhen auf dem Uppsala Conflict Data Program (UCDP 2024).
Für eine detailliertere Analyse wird auf den Afghanistan-Index verwiesen (Gollob und O’Hanlon 2020).

Flüchtlings- und Binnenvertriebene

Laut Vereinten Nationen waren Ende 2021 weltweit 2,6 Millionen afghanische Flüchtlinge registriert (UNHCR 2024).

Davon befanden sich 2,2 Millionen in den Nachbarländern.

3,5 Millionen waren Binnenvertriebene, hinzu kamen seit 2021 weitere 800.000 neue Binnenvertriebene.

Im Jahr 2021 machten Frauen und Kinder rund 80 % der afghanischen Flüchtlinge aus.